Station to Station:
An International & Nomadic Conference
- 1 & Dezember 2011 –
Internationale Konferenz
Veranstaltet von den Forschergruppen ILLE und CRESAT (UHA, Mulhouse) und dem internationalen Doktorandenprogramm
Cultural Studies in Literary Interzones (Koordination: Bergamo, Italien).
Call for papers.
“Whether I shall turn out to be the hero of my life, or whether that station
Will be held by anybody else, these pages must show.”
Charles Dickens, David Copperfield
Sind wir wirklich wir selbst, wenn wir unsere Plätze im Zug einnehmen oder in den Bahnhof schlendern, oder sind wir im Zug, im Bahnhof, am Gleis schon ein anderer, schon entfernt von uns selbst, schon auf der Reise? Vielleicht erzeugen diese Umgebung und unser Verhalten dort in uns ein Gefühl des Artifiziellen, Künstlichen, Irrealen, das durch die Übersättigung mit altmodisch gewordenen romantischen oder auch modernen Mythen hervorgerufen wird? Diese Orte, in sich selbst zwar stabil und abgeschlossen, existieren nur, weil sie einerseits aus der Zeit herausgenommen scheinen, andererseits aber keine Bedeutung hätten, wären sie nicht von Bewegungen und Geschwindigkeit durchkreuzt oder vorangetragen. Üben sie eine besondere Macht auf das Verhalten und die Phantasie der Menschen aus?
Eine konzise epistemologische Bestandsaufnahme würde es Historikern und Philosophen zweifellos erlauben, eine Positionierung -- oder die Infragestellung einer Positionierung -- dieser Räume im städtischen Leben vorzunehmen. Allgemeiner gesagt: Wo finden sich hier die Spuren des Urbanen, welche Erinnerungsfunktionen haben diese Räume, welche immateriellen Hinterlassenschaften, finden sich hier und wie können sie rekonstruiert werden, welche Praktiken provozieren sie, welche Kommunikation etabliert sich dort? Sind der Bahnhof, der Eisenbahnwagon und der Zug überhaupt eine Stätte, sind sie Architektur?
Lassen wir einmal ein wenig den Ernst beiseite, der uns belastet, sei es wenn wir heute von der virtuellen high tech Realität reden (etwa in David Bowies Liedern) oder auch schon im vortechnischen Zeitalter (sagte nicht John Milton: “The planets in their station list'ning stood.”? Paradise Lost, VII, 563). Der Bahnhof ebenso wie der Zug sind im Grunde eine Einladung zur Entschleunigung, zur Drosselung der Geschwindigkeit. Sie sind Orte der fluiden Bewegung und des Transits, der Erinnerung und des Vergessens, Orte, an denen eine Flucht aus der Stadt ihren Anfang nimmt oder ein Mensch in die Stadt eintritt, Orte der Verlagerung -- von Menschen, Waren, Bevölkerungen -- ein Archiv, Spuren unserer flüchtigen Leidenschaften.
Hauptsächlich europäische (?) oder westliche (?) Erscheinungen (diese Frage wird vor allem für Historiker noch auszudiskutieren sein) sind der Bahnhof und die Eisenbahn für unsere Kulturen als wirtschaftliche, architektonische, politische und ästhetische Phänomene konstitutiv. Sie sind gleichermaßen eine Einladung zu Stillstand und zum Bleiben, aber auch zu endlosen Reisen, die vielleicht zu keinem Ziel führen, sondern eher ans Ende unserer Wünsche oder zum Ende der Nacht.
Auf dieser literatur- und kulturwissenschaftlichen Konferenz soll der Bahnhof und die Eisenbahn betrachten werden als „Interzones“, als geschlossene Räume, die nicht wirklich geschlossen sind, Räume ohne Grenzen oder mit variablen, verschiebbaren Grenzen, an denen gesellschaftliche Regeln und Gesetze suspendiert werden, wo sich ein Spiel artifizieller Indifferenzen etabliert; und dies nicht selten auf eine obszöne Weise, hervorgerufen durch die paradoxe, anonyme Intimität, die auf engem, öffentlichem Raum entsteht. Der Bahnhof selbst kann ein Ort der Unordnung sein, der Heterogenität und damit der gegenseitigen Befruchtung und der Kommunikation.
Der Bahnhof ist vor allem dies: eine Enklave mitten in der Stadt. Das Zugabteil repräsentiert in unserer Biographie das Phantasma einer Auflösung, Verwischung, Liquidation der Grenzen zwischen sich und dem anderen.
Aus Anlass der Anbindung des Gare Centrale von Moulhouse an das TGV-Netz in diesen Winter wollen wir die Teilnehmenden dazu auffordern, sich Gedanken zu machen über Bahnhöfe, Züge, Wagone, Abteile - in der Literatur und Kunst, vielleicht auch im Zuge Philosophischer Reflexion. Es geht darum, die sich selbst überholenden Innovationbewegung der Moderne abzubilden und dabei den Stillstand nicht zu übersehen. Für Historiker könnte dies eine Gelegenheit sein, die zentrale Rolle von Bahnhöfen und Zügen in der Entwicklung der Städteplanung in den Blick zu nehmen.
Inhalt, Form und Performace der Konferenz sollen sich entsprechen: Es soll eine nomadische Konferenz werden; daher werden besonders jene Vorschläge berücksichtigt, die man als „akademische Performance“ bezeichnen könnte, die den Charakter der Bewegung und des Stillstandes, den theatralischen und dramatischen Aspekt der Vorhabens fokussieren und implizieren. Von einigen Vorträgen in den eleganten Räumen der Société Industrielle de Mulhouse (einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt) abgesehen, wird der Großteil der Workshops in einem fahrenden Zug stattfinden. Wir werden gezwungen sein, uns an Bahnhöfen, Bahnsteigen und Haltestellen aufzuhalten, ohne dabei allerdings einem spezifischen Reiseplan zu folgen: Wir werden uns auf eine „Reise zu uns selbst“ begeben und nicht das vorhersehbare Ziel einer kontinuierlichen Rundreise anvisieren.
Mulhouse Terminus, aber niemand steigt aus!
Das Organisationsteam.
Einsendeschluss für Vorschläge: 15. Juni 2011
Bitte senden Sie Ihre Vorschläge für Workshops und Vorträge direct an Didier Girard (didier.girard@uha.fr or drgeere@free.fr) Frédérique Toudoire-Surlapierre (frederique.toudoire@uha.fr) und Jennifer K. Dick (jennifer-kay.dick@uha.fr) VOR dem 15. Juni 2011.
Um an Veranstaltungen teilzunehmen oder Tickets zu kaufen, wenden Sie sich an: Jeannine Schneider jeannine.schneider@uha.fr + 33 (0)3 89336381.
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